Warum sollten Sie Verkehrssimulation verwenden?
Was ist eine Verkehrssimulation und welche Vorteile bietet sie? Wie funktioniert eine Verkehrsflusssimulation und welche Ansätze gibt es? Wo werden Verkehrsmodelle eingesetzt? Kann Verkehr auch multimodal betrachtet werden? Wir klären die wichtigsten Fragen rund um die Simulation von Verkehr und Mobilität.
Es ist eines der zentralen Themen unserer Zeit: Weltweit wächst der Bedarf an Mobilität und damit an zuverlässigen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Die Probleme von überlasteten Verkehrsnetzen kennen wir alle: Vor allem Städte kämpfen mit Staus, verstopften Straßen, Luftverschmutzung und Lärmbelastung.
Unsere Mobilitäts- und Verkehrssysteme werden immer komplexer. Sie effizient und nachhaltig zu gestalten, wird wiederum zur immer größeren Herausforderung. Was sind die besten Maßnahmen, um verkehrsbedingte Emissionen zu senken? Wie lassen sich Verkehrsabläufe sicher für alle Verkehrsteilnehmer gestalten? Wäre ein Kreisverkehr besser für den Verkehrsfluss oder eine angepasste Ampelschaltung? Wie kann der öffentliche Nahverkehr mit einem reibungslosen Verkehrsablauf koordiniert werden? Welchen Einfluss werden neue Technologien wie autonomes Fahren auf das Verkehrssystem haben?
Verkehrssimulationen sind ein wichtiges Werkzeug, um diese Fragestellungen zu untersuchen und finanzielle Mittel sowie vorhandene Ressourcen für den Aus- oder Umbau eines Verkehrssystems so effizient wie möglich einzusetzen. Im Verkehrsmodell lassen sich die Auswirkungen von verkehrlichen Maßnahmen auf das Verkehrsaufkommen, den Verkehrsfluss und deren Veränderungen bei sich ändernden Rahmenbedingungen genau aufzeigen.
Den Verkehr simulieren heißt also eine solide Basis für die besten und wirtschaftlichsten Entscheidungen zu schaffen, um Verkehr und Mobilität sicherer, nachhaltiger, gerechter und resilienter – kurz zukunftsorientierter – zu gestalten.
Mikroskopische, mesoskopische und makroskopische Verkehrssimulation
Man unterscheidet in der Verkehrssimulation zwischen drei Ansätzen:
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Mikroskopische Simulation: Auf dieser Ebene liefert eine Verkehrssimulation den höchsten Detaillierungsgrad. Verkehrsteilnehmer werden individuell und in Interaktion zueinander betrachtet. Bewegungen von einzelnen Fahrzeugen oder Fußgängern werden kontinuierlich räumlich und zeitlich abgebildet. Der gesamte Ablauf ergibt sich hier aus den individuellen Entscheidungen der Verkehrsteilnehmer.
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Mesoskopische Simulation, die einen geringeren Detaillierungsgrad als die mikroskopische Simulation aufweist. Sie basiert auf einzelnen Verkehrsteilnehmern, deren Verhalten aus aggregierten Verkehrszuständen ermittelt wird, etwa der Verkehrsdichte oder der mittleren Geschwindigkeit. Eine direkte Reaktion auf andere Verkehrsteilnehmer findet nur an Knotenpunkten (Kreuzungen) statt. Die fehlende Detailtiefe verringert den Modellierungsaufwand und beschleunigt die Simulation, sodass sich der gesamte Prozess effizienter gestalten lässt und größere Regionen simuliert werden können.
Die Kombination aus mesoskopischer mit mikroskopischer Simulation in bestimmten Netzausschnitten wird als Hybridsimulation bezeichnet. -
Makroskopische Simulation, bei der ganze Verkehrsströme, aber nicht die einzelnen Verkehrsteilnehmenden betrachtet werden.
Wozu dienen Simulationsmodelle?
Wie bei einem architektonischen Modell, dienen Simulationsmodelle dazu, ein besseres Verständnis über ein komplexes System zu erlangen. In Städten begegnen sich Fußgänger, Radfahrer und motorisierter Verkehr manchmal auf sehr engem Raum. In den multimodalen Mobilitätssystemen unserer Zeit spielen aber nicht nur nicht nur die verschiedenen Verkehrsteilnehmer und Verkehrsträger eine Rolle. Auch Elemente wie zum Beispiel das sich verändernde Mobilitätsverhalten der Menschen oder neue Services, die auf den Markt drängen - wie etwa das autonome Fahren – kommen zum Tragen. Simulationsmodelle befähigen Verkehrsplaner, dieses hochkomplexe und dynamische System zu verstehen und effiziente Strategien zur Lösung aktueller und künftiger Verkehrsprobleme zu entwickeln.
Vorteile der Verkehrssimulation
Realistische Übersicht über das Verkehrsgeschehen
Konfliktherde im Netz identifizieren und lösen
Auswirkungen von geplanten Maßnahmen vorhersehen und überprüfen
Vorhaben optimieren, bevor sie in der Praxis implementiert werden
Grundlage schaffen für fundierte Entscheidungen in der Verkehrs- und Stadtplanung
Geld sparen und Fehlinvestitionen vermeiden
Verbesserte Kommunikation mit Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit durch Visualisierungen
Eine Verkehrssimulation spiegelt das Verkehrsgeschehen wider. Dies hilft dabei, sich einen Überblick zu verschaffen, planerische Fragen zu beantworten, und bestimmte Fragestellungen überhaupt erst aufzuwerfen. Im virtuellen Umfeld können die unterschiedlichsten Verkehrssituationen betrachtet, die Auswirkungen von geplanten Maßnahmen auf den gesamten Verkehrsfluss sowie Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Infrastrukturvorhaben lassen sich vor ihrer kostspieligen Implementierung überprüfen und optimieren. So schaffen Verkehrsplaner und Verkehrsingenieure eine fundierte Grundlage für planerische Entscheidungen. Durch die anschauliche Visualisierung einer Simulation kann zudem mehr Transparenz für Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit geschaffen werden.
Wie wird Verkehrssimulation eingesetzt?
Verkehrsplaner und -ingenieure, Unternehmen aber auch die Forschung setzen Software zur Verkehrssimulation wie etwa PTV Vissim für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle ein. Dabei geht es stets darum, mit den Ergebnissen eine fundierte Grundlage für planerische Entscheidungen zu schaffen. Hier einige Anwendungsbeispiele:
Aufbau von Verkehrsanlagen
Ein klassisches Anwendungsfeld von Verkehrssimulationen ist der Nachweis und die Verbesserung der verkehrlichen Leistungsfähigkeit von Verkehrsanlagen. Ein neues Fußballstadion oder Möbelhaus in einer Stadt hat Einfluss auf die Verkehrssituation vor Ort. Die Simulation eröffnet ein klares Bild darüber, wie sich der prognostizierte (Mehr-) Verkehr am besten abwickeln lässt, ob die Verkehrsinfrastruktur angepasst oder sogar umgebaut werden muss. Fragestellungen wie etwa die Auswirkungen von zwei oder drei Fahrstreifen auf den Verkehrsablauf können untersucht werden.
Nicht standardisierte Verkehrsinfrastruktur (Richtlinien-Empfehlung)
Entspricht eine Planung der Verkehrsinfrastruktur (z.B. ein Straßenentwurf oder Signalzeitenentwurf) nicht den in entsprechenden Richtlinien festgelegten Standards, empfehlen diese die Simulation der Verkehrsanlagen. So lässt sich Qualität der Verkehrsabläufe bewerten, die sich an komplexen und nicht standardisierten Kreuzungen oder durch intelligente Verkehrssteuerungen ergeben.
Verkehrsabhängige Signalsteuerung & Verkehrsmanagement Autobahn
Intelligente Signalsteuerungen sorgen für einen verbesserten Verkehrsfluss, zum Beispiel indem sie die Wartezeiten an Ampeln reduzieren. Aber welche Steuerungslogik ist die beste für eine spezielle Kreuzung? Im Simulationsmodell lassen sich für eine optimale Implementierung in der realen Welt verschiedene Optionen ausprobieren und optimieren.
Auf der Autobahn dienen Verkehrsbeeinflussungsanlagen, z.B. durch Anzeigetafeln, dynamische Verkehrsschilder, Wechselverkehrszeichen, dazu den Verkehrsfluss zu optimieren und Stau möglichst zu verhindern. Um die Steuerung zu testen und zu verbessern, werden ebenfalls Verkehrssimulationen eingesetzt.
Neue Technologien in der Automobilindustrie
Auch in der Automobilindustrie spielen Verkehrssimulationen eine entscheidende Rolle. Bevor neue Fahrzeuge in Produktion gehen, werden diese millionenfach getestet – im realen Straßenverkehr, aber auch im virtuellen Raum mit Hilfe von Simulationen. Eine Verkehrsflusssimulation liefert dafür die komplexen Verkehrsabläufe inklusive der Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern. So können Tests von Fahrerassistenzsystemen (ADAS) und Technologien für vernetzte und autonome Fahrzeuge (CAV) realitätsnah im virtuellen Verkehr durchgeführt werden.
Infrastrukturplanung für vulnerable Verkehrsteilnehmer
Im Verkehrsmodell lässt sich das Verhalten von unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmern sowie deren Interaktion simulieren – dies gilt auch für die so genannten vulnerablen Gruppen wie Radfahrer und Fußgänger. Wie lässt sich eine Stadt fußgänger- und fahrradfreundlich gestalten? Wo werden neue Fahrradspuren benötigt? Wie ermöglicht man Grüne Wellen für Fahrradfahrer sinnvoll? In der Verkehrssimulation lassen sich Maßnahmen und deren Effekte analysieren.
Fußgängersimulationen
Speziell Fußgängersimulationen werden nicht nur dafür eingesetzt, Verkehrsinfrastruktur für Fußgänger zu optimieren. Personenstromanalysen helfen auch bei der fußgängerfreundlichen und sicheren Gestaltung von Bahnhöfen, Flughäfen usw., in der Planung von Großveranstaltungen und in Sachen Brandschutz und Entfluchtung.
ÖV-Planung
Auch im öffentlichen Verkehr kommen Verkehrsmodelle zum Einsatz. So lassen sich ÖV-Linien, verschiedene Fahrzeugtypen, Fahrpläne, Haltestellen, Haltestellentypen und Verweilzeiten eingeben und die Signalsteuerung für die ÖV-Bevorrechtigungen modellieren. Die Verkehrssimulation zeigt beispielsweise, wie ein optimaler Fahrplan aussehen könnte, über wie viele Busparkbuchten der Busbahnhof verfügen sollte und ob die geplanten Anschlusszeiten den Fahrgästen ausreichen.
Emissionsberechnung
Neben verkehrlichen Kenngrößen wie Verlustzeiten, Geschwindigkeiten oder Rückstaulängen, ermöglicht eine mikroskopische Verkehrsflusssimulation auch die Berechnung von Emissionen auf Basis von Einzelfahrzeugtrajektorien. Die Emissionen lassen sich zeitlich und örtlich genau zuweisen, so dass ganz konkret aufgezeigt werden kann, wo welche Menge an Emissionen anfallen. So lässt sich überprüfen, wie sich verkehrstechnische Maßnahmen, zum Beispiel eine angepasste Lichtsignalsteuerung, intelligente Verkehrssysteme oder unterschiedliche Fahrzeugzusammensetzung, auf die Fahrzeugemissionen auswirken.
Wie wird ein Verkehrsmodell erstellt?
Welche Software wird für die Verkehrssimulation verwendet? Welche Software eignet sich am besten für Verkehrssimulation?
Verkehrsexperten weltweit vertrauen bei makroskopischer Verkehrssimulation auf PTV Visum. Für mikroskopische, mesoskopische oder hybride Simulationen ist PTV Vissim die weltweit führende Lösung. Jahrzehntelange Forschung, kontinuierliche Entwicklung und die enge Zusammenarbeit mit Kund*innen machen PTV-Lösungen zu stabilen Simulationstools.
Welche Daten werden für eine Verkehrssimulation benötigt?
Neben der Simulationssoftware sind Daten die wichtigste Grundlage, um ein Verkehrsmodell zu erstellen. Dazu gehören Daten zum Angebot (Verkehrsinfrastruktur, z. B. Anzahl der Fahrstreifen, Signalpläne), zur Nachfrage (Fahrzeugzusammensetzung, Verkehrsaufkommen) und gemessene Verkehrsdaten wie Geschwindigkeiten, Reisezeiten, Staulängen usw.
Die Qualität der Daten ist dabei entscheidend. Es gilt: Ein virtuelles Modell kann immer nur so gut sein, wie die Eingangsdaten.
Woher kommen die Daten, die man für ein Verkehrsmodell braucht?
Wichtige Datenquellen sind eigene oder zugekaufte Verkehrserhebungen sowie Daten aus der Verkehrsüberwachung oder Verkehrssteuerung (von verschiedenen Detektoren). Sollen Zukunftsszenarien modelliert werden, wird eine Verkehrsprognose benötigt – inklusive aller zu erwartenden Änderungen in Bezug auf Angebot und Nachfrage. Häufig werden größere makroskopische Verkehrsmodelle, zum Beispiel auf Basis von PTV Visum oder anderen Tools, verwendet, um die kleineren mikroskopischen Modelle mit Daten zu versorgen.
Wie lange dauert es, ein Modell zu bauen?
Wenn alle Daten und Informationen vorliegen, kann ein Verkehrsmodell mit einer einfachen Kreuzung mit Lichtsignalanlage bereits innerhalb von 30 Minuten modelliert werden (Mehr dazu in folgendem Webinar). Aufwendigere Verkehrsmodelle brauchen mehr Zeit. Sie müssen kalibriert und validiert, Szenarien erstellt und bewertet werden. Dies kann mehrere Tage oder Wochen, bei komplexen Modellen sogar mehrere Monate dauern.
Kann man den Modellaufbau automatisieren?
Es ist möglich, mikroskopische Verkehrssimulationen von Grund auf neu zu erstellen. Sie können aber auch importiert oder zumindest teilweise generiert werden. Oft werden kleinere Ausschnitte aus größeren makroskopischen Verkehrsmodellen importiert. Weitere Möglichkeiten bietet der Import von Kartendaten wie OpenStreetMap, HERE oder TomTom Maps oder die Nutzung von in der Industrie verwendeten Datenformaten wie OpenDrive.
Wie läuft eine Verkehrssimulation ab?
Mesoskopische und mikroskopische Simulationen sind stochastisch. Die Verhaltensparameter und der Zeitpunkt des Eintritts in das Verkehrsnetz werden für jeden einzelnen Agenten also Verkehrsteilnehmenden zufällig aus vorgegebenen Verteilungen gezogen. Das Ergebnis eines einzelnen Simulationslaufs muss also als ein möglicher Verkehrsfluss an einem Zufallstag verstanden werden. Dabei kann es auch zu “Ausreißern” kommen. Deshalb ist es notwendig, mehrere Simulationsläufe mit unterschiedlichen Startzufallszahlen durchzuführen, um einen aussagekräftigen Eindruck von der möglichen Streuung der Ergebnisse zu erhalten. Unter der Voraussetzung einer korrekten Modellierung des Netzes und einer geeigneten Kalibrierung sollte die Streuung der Simulationsergebnisse dann der Streuung der realen Verkehrszustände an verschiedenen Tagen ähnlich sein. Durchschnittswerte über alle Simulationsläufe hinweg stellen in der Regel nicht die interessantesten Kenngrößen dar, sondern eher die relative Häufigkeit von Störungen, z. B. "an 70 % der Tage ist ein großer Stau zu erwarten".
Wie schnell sind die Modelle? Wie lange laufen sie?
Die Simulationsgeschwindigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab. So zum Beispiel von der Simulationsauflösung (die Anzahl der Zeitschritte, die pro Sekunde simuliert werden) und der Modellkomplexität (Anzahl von Interaktionen und Objekten. Aber auch die Hardwareausstattung (Prozessor, Speicher, Videokarte…) hat einen Einfluss darauf, wie schnell eine Verkehrssimulation läuft.
In einem einfacheren Verkehrsmodell ist es möglich, bis zu 10 000 Fahrzeuge in Echtzeit zu simulieren. Eine Sekunde in der Simulation entspricht dabei einer Sekunde in der Realität. Bei einer geringeren Anzahl von Fahrzeugen/Fußgängern kann die Simulation z. B. 20- oder 50-mal schneller ablaufen.
Wie genau sind die Simulationsmodelle?
Ein wichtiger Aspekt, um die Genauigkeit eines Verkehrsmodells sicherzustellen, ist die Kalibrierung. Modelle sind nicht einfach von einer Stadt auf die andere übertragbar. Sie müssen kalibriert, also an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Es gilt, mit üblichen statistischen Methoden, wie zum Beispiel dem GEH-Wert oder Goodness-of-Fit-Test, die Übereinstimmung mit realen Daten nachzuweisen.
Verkehrssimulationen arbeiten – insbesondere bei der Betrachtung von Zukunftsszenarien – mit unterschiedlichen Annahmen. Da die Zukunft mit verschiedenen Unsicherheiten verbunden ist, werden mehrere Szenarien erstellt, um die unterschiedliche Entwicklung von Infrastruktur, Flächennutzung, sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung zu berücksichtigen. Die Modellergebnisse müssen unter Berücksichtigung dieser Annahmen betrachtet und bewertet werden.